CUTTING EDGE vol.5

Die Entwicklung von Werkzeugen mit rotierender Schneide der nächsten Generation

Die Entwicklung von  Werkzeugen mit rotierender Schneide der nächsten Generation

Im Flugzeugbau kommen immer häufiger schwer zu bearbeitende Werkstoffe zum Einsatz. Solche Werkstoffe sind zwar belastbarer, verkürzen aber deutlich die Werkzeugstandzeit. Durch die Entwicklung von Zerspanungswerkzeugen mit rotierender Schneide der nächsten Generation reagiert Mitsubishi Materials auf die steigende Nachfrage nach innovativen Bearbeitungsverfahren, die die Werkzeugstandzeiten erhöhen. Der Fokus in diesem Artikel liegt auf zwei solcher Werkzeuge, nämlich auf angetriebene rotierende Zerspanungswerkzeuge, die in Multi-Task-Maschinen zum Einsatz kommen und auf passive rotierende Zerspanungswerkzeuge, die in Bearbeitungszentren verwendet werden.

PROJEKT 1 : Drehwerkzeug mit aktiv rotierender Schneidplatte

Entwicklung rotierender Zerspanungswerkzeuge unter Nutzung der Vorzüge von Multi-Task-Maschinen

Vor 20 Jahren hat Mitsubishi Materials zum ersten Mal rotierende Zerspanungswerkzeuge für Drehmaschinen entwickelt, bei denen sich die Schneidplatte kontinuierlich drehte. Damals kam ein Mechanismus zum Einsatz, der diese Rotation mithilfe des Schnittwiderstands antrieb. Dies führte zu einer Verringerung des Kerbverschleißes, einem der Hauptgründe für kürzere Werkzeugstandzeiten bei der Bearbeitung von schwer zu bearbeitenden Werkstoffen. Problematisch war der komplizierte Mechanismus, der die Stabilität ein-schränkte sowie die höheren Kosten im Vergleich zu herkömmlichen Werkzeughaltern. 

Zu dieser Zeit wurden bereits neue rotierende Zerspanungswerkzeuge entwickelt. Die Entwicklung des neuen Rotationsmechanismus wurde durch das Aufkommen von Multi-Task-Maschinenunterstützt. Die ersten rotierenden Zerspanungswerkzeuge  ließen die Schneidplatte mithilfe der Zerspankräfte rotieren. Das führte zu Unregelmäßigkeiten in der Drehung, und machte eine stabile Bearbeitung schwierig. Das Ziel war aber, eine stabile, von den Schnittdaten unabhängige Drehkraft zu erzeugen, und somit einen neuen Typ von Rotationswerkzeug zu schaffen. Vor etwa zehn Jahren begann Mitsubishi Materials neue rotierende Zerspanungswerkzeuge zu erforschen. Zu diesem Zeitpunkt erfuhr das Unternehmen von einer Studie über die angetriebenen rotierenden Zerspanungswerkzeuge von Professor Sasahara von der Universität für Landwirtschaft und Technologie in Tokyo. Das führte zu einer Kooperation mit der Universität. In einem gemeinsamen Forschungsprojekt wurden die Stärken und Schwächen der angetriebenen rotierenden Werk-zeuge untersucht. Die Nutzung von Multi-Task-Maschinen erlaubte die Festlegung gezielter Parameter bei der Werkzeugrotation. Die Multi-Task-Maschinen unterstützten nicht nur die Steuerung der Werkzeugrotation, sondern auch die freie Wahl des Kontaktwinkels. So konnte die beste Kombination aus Schnittdaten und Werkzeug-Kontaktwinkel ausgesucht werden. 

Es war auch wichtig, den besten Kontaktwinkel zu identifizieren. Die Spandicke, die einen entscheidenden Einfluss auf die Werkzeugstandzeit und den Spanfluss hat, ist von grundlegenden Bedingungen wie Geschwindigkeit, Vorschub und Schneidengeometrie abhängig. Aufgrund dieser Überlegungen wurden beim neuen Design unterschiedliche Neigungswinkel ausprobiert. Die größte Herausforderung war die Minimierung der  Rundlauffehler beim Einsetzen der Schneidplatte in den Halter. Größere Fehlausrichtungen erzeugten eine exzentrische Rotation, welche sich auf die Schnitttiefe auswirkte, und so zu Maßabweichungen am Werkstück führte. Der Rundlauffehler führte auch zu schwankendem Schnittwiderstand und so zu Vibrationen und Schäden an der Schneidplatte. Schließlich hat Mitsubishi Materials das gewünschte Ziel erreicht, den Rundlauf zwischen Schneidplatte und Zerspanungswerkzeug auf weniger als 0,01 mm zu reduzieren.

Eine weitere wichtige Eigenschaft war die interne Kühlmittelzufuhr. Das Werkzeug wurde so konstruiert, dass Kühlmittel zwischen Schneidplattenloch und Spannschraube zugeführt werden kann. Dieser Mechanismus führte zwar zu einer verringerten Spannkraft, wenn die WSP in den Halter eingesetzt wurde. Aber die neue Werkzeugkonstruktion sorgte für ausreichende Haltekraft. Das Werkzeug drehte sich stabil und verteilte die beim Schneiden entstehende Hitze gleichmäßig auf den gesamten Umfang der Schneide.  Die Zufuhr des Kühlmittels aus dem Inneren des Werkzeugs ermöglichte die effektive Kühlung der Schneide und somit eine gute Spanabführung. 

PROJEKT 1 : Drehwerkzeug mit aktiv rotierender Schneidplatte

Zehn Mal längere Werkzeugstandzeiten als bei herkömmlichen Zerspanungswerkzeugen mit WSP 

Vorteile der angetriebenen rotierenden Zerspanungswerkzeuge:

1. Die Nutzung des vollen Umfangs der WSP sorgt für die gleichmäßige Verteilung des Verschleißes und dadurch erhöht sich der Nutzungsdauer des Werkzeugs.

2. Die stabile Rotation des Werkzeugs sorgt für effektive Ableitung der Hitze, während die interne Kühlmittelzufuhr die Abnutzung der WSP reduziert. 

3. Der einzigartige, hochpräzise und hochstabile Spannmechanismus ermöglicht eine stabile Hochleistungszerspanung. 

Im Vergleich zu herkömmlichen Zerspanungswerkzeugen mit WSP weisen die neuen Werkzeuge eine deutlich längere Standzeit bei der Bearbeitung von Inconel718 auf. Darüber hinaus sind sie nicht nur für die Bearbeitung schwer zerspanbarer Materialien, sondern auch für Verbundwerkstoffe wie Aluminium und Eisen geeignet. Durch die verlängerten Standzeiten, die längeren Wechselintervalle und die mannlose Fertigung werden erhebliche Einsparungen erreicht.   

Konnten die Probleme behoben werden, die sich bei der Entwicklung der ersten rotierenden Zerspanungswerkzeuge einstellten?

Aufgrund der Stauchung der Späne liegt die ideale Drehzahl für die Schneidplatte bei 33% der Schnittgeschwindigkeit (entsprechend der Spanabfuhrgeschwindigkeit), um den Freiflächenverschleiß zu verringern, der oft ein Problem bei der Bearbeitung schwer zu bearbeitender Werkstoffe mit geringer thermischer Leitfähigkeit darstellt. Die ersten rotierenden Zerspanungswerkzeuge wurden durch den Schnittwiderstand gedreht, wodurch eine Kontrolle der Drehzahl unmöglich war. 

Die neuen rotierenden Zerspanungs-werkzeuge haben viele Parameter, was es schwierig macht, die optimalen Schnittdaten zu finden. Auch wenn empfehlenswerte Bedingungen für die allgemeine Zerspanung ermittelt werden konnten, ist es interessant, zu wissen, dass die optimale Werkzeugdrehzahl ein Drittel der Werkstückgeschwindigkeit ist, die für die ersten rotierenden Zerspanungswerkzeuge angenommen wurde. Derzeit werden angetriebene rotierende Zerspanungswerkzeuge ent-wickelt, die 2017 auf den Markt gebracht werden sollen.

(Links): Yuji Takada, Tsukuba Aero Group, Abteilung Luft- und Raumfahrt, beteiligt an der Entwicklung passiver rotierender Zerspanungswerkzeuge
(Rechts): Wataru Takahashi, Advanced R&D Group, Machining Technology Center, Abteilung Forschung und Entwicklung, beteiligt an der Entwicklung angetriebener rotierender Zerspanungswerkzeuge

PROJEKT 2 : Fräswerkzeug mit passiv rotierenden Schneidplatten

Ermittlung der Kraft zur Eigenrotation der Schneidplatte 

Bei der Entwicklung des neuen Fräsers mit passiv rotierenden Schneidplatten wurden die Erfahrungen genutzt, die bei den ersten Drehwerkzeugen mit selbstrotierender Schneidplatte entstanden sind. Seit der Markteinführung des ersten rotierenden Zerspanungswerkzeugs hat Mitsubishi Materials einen Mechanismus verwendet, bei dem die Schneidplatte durch den Schnittwiderstand in Rotation versetzt wird. Dieses Prinzip sollte jetzt auf ein Fräswerkzeug übertragen werden. Aufgrund  der Platzverhältnisse war es allerdings sehr schwierig, den Rotationsmechanismus des ersten rotierenden Zerspanungswerkzeugs  bei einem Fräser einzusetzen. 

Die zunehmende Verwendung schwer zu bearbeitender Werkstoffe in verschiedenen Industrien erforderte aber effizientere  Bearbeitungen und längere Werkzeugstandzeiten. Als sich vor ungefähr zehn Jahren das Potenzial von WSP, die sich während des Fräsens drehten, herauskristallisierte, leitete Mitsubishi Materials die Entwicklung von Werkzeugen in Zusammenarbeit mit der Universität von Nagoya und Mitsubishi Heavy Industries, Ltd. ein. 

Die erste Herausforderung bestand darin, den idealen Winkel zu finden, der die  Schneidplatte mittels Schnittwiderstand rotieren lässt und die optimale Drehkraft sicherzustellen. Wenn der Schnittwiderstand zu gering ist, wird zu wenig Antriebskraft für das Drehen der Schneidplatte erzeugt. Ist er zu groß, führt dies bei der Bearbeitung zu Vibrationen und letztlich zu Schäden am Werkzeug oder der Schneidplatten. Es sollte der optimale Winkel gefunden werden. 

Der Universität von Nagoya gelang es, diese Herausforderung zu meistern. Mithilfe komplexer Formeln konnten die Ingenieure den optimalen Winkel für die effektivste Rotation bestimmen. Dieses Mal reduzierte die theoretische Berechnung der optimalen Werte die Entwicklungszeit stark. 

Bis zu 10-fache Standzeit! 

Die nächste, besonders anspruchsvolle Herausforderung bestand darin, die WSP auf extrem engem Raum unterzubringen. Es ging darum, einen Drehmechanismus zu entwickeln, der auf so engem Raum untergebracht werden konnte. Dazu musste das Spiel zwischen Schneidplatte und der Spannschraube optimiert werden, um den leichtgängigen Lauf der Schneidplatte bei der Bearbeitung sicherzustellen. Wenn dieses Spiel zu klein ist, klemmt der Mechanismus, ist es zu groß, kommt es zu Vibrationen. Darüber hinaus ist es wichtig, die richtige Spannschraubendicke für die Größe der WSP zu wählen. Nach wiederholten Tests wurde das Ziel durch die Anbringung einer Feder oberhalb der Spannschraube erreicht, nämlich die Entwicklung eines Drehmechanismus, der sowohl den idealen Freiraum als auch die erforderliche Stärke hatte. Gerade als das Problem mit dem Drehmechanismus gelöst wurde, zeichnete sich eine weitere Herausforderung ab. Der untere Bereich der WSP kam während der Rotation mit der Hartmetallplatte am Werkzeug in Berührung, was zu unregelmäßigem Verschleiß führte. Die Schneidplatte konnte durch die Rotation den Verschleiß ausgleichen, aber die Hartmetallplatte, auf die die Schnittkraft einwirkte, wurde ungleichmäßig belastet, und die Belastung auf den Abschnitt unterhalb des Schneidwerkzeugs war hoch. Weil sowohl WSP als auch diese Schicht aus Hartmetall waren, mussten die Berührung und eine anhaltende Rotation unter Last zu unregelmäßigem Verschleiß führen. Als Lösung für dieses Problem wurde eine bewegliche Metallplatte zwischen dem WSP und der Hartmetallplatte als Puffer eingesetzt.

Der größte Vorteil von Werkzeugen mit rotierenden Schneidplatten ist die mannlose Bearbeitung ohne Plattenwechsel über längere Zeiträume hinweg. Außerdem, wie im Diagramm unten dargestellt, konnte eine Werkzeugstandzeit erzielt werden, welche die bisherige um das Acht- bis Zehnfache übertraf. 

Dieses Fräswerkzeug mit passiv rotierenden Schneidplatten wird voraussichtlich 2017 auf den Markt kommen. Neben der Erweiterung der Größen der WSP ist auch die Entwicklung von Schneidwerkzeugen  zum Schrägeintauchen geplant.