CUTTING EDGE vol.3

Bearbeitung im niedrigen Vibrationsfrequenzbereich

Bearbeitung im niedrigen Vibrationsfrequenzbereich

Kooperation: Citizen Machinery Co., Ltd.

Grundlegend veränderte Spankontrolle

Die Spankontrolle ist ein Problem, das beim Einsatz kleiner Drehautomaten in der Automobilteilefertigung und der Präzisionsbearbeitung filigraner Teile für medizinische und OA-Geräte häufig zu lösen ist. Werden ungünstige Späne gebildet oder unzureichend abtransportiert, können sie sich am Werkzeug verfangen, so die Standzeit reduzieren, Produktoberflächen beschädigen und sogar zum Maschinenstillstand führen. Mit anderen Worten: Die Spankontrolle ist ein wesentlicher Faktor für längere Werkzeugstandzeiten, konstant hohe Qualitäten und eine Optimierung der Maschinenlaufzeiten. Einsatz bei solchen Zerspanungsaufgaben finden Wendeschneidplatten mit Spanbrechern und Hochdruckkühlung, welche die Späne direkt brechen. Einen ganz neuen Ansatz für die Spankontrolle wählte Citizen Machinery mit dem niedrigfrequenten Schwingungsschneiden. Im Herbst 2013 erregte das Unternehmen bei der Vorstellung einer Maschine mit dieser Technologie große Aufmerksamkeit im In- und Ausland. Yoshimitsu Oita aus der Vertriebsabteilung von Mitsubishi Materials und Akira Sato aus der Werkstoffentwicklungsabteilung von Mitsubishi Materials besuchten Takaichi Nakaya und Kazuhiko Sannomiya aus der Entwicklungsabteilung von Citizen Machinery, um sie zu dem Konzept und der Zukunft der niedrigfrequenten Schwingungsschneidtechnologie zu befragen.

Niedrigfrequentes Schwingungsschneiden LFV**

Die einzigartige Steuerungstechnologie von Citizen Machinery synchronisiert die Schwingung der Servoachse mit der Umdrehung der Hauptachse. Die LFV-Technologie bricht die Späne in kleine Teile und führt sie während der Bearbeitung ab. Auf diese Weise werden alle Probleme vermieden, die bei der Bearbeitung schwer zerspanberer Werkstoffe und beim Tieflochbohren durch eingeklemmte Späne auftreten können. 
Das LFV-Verfahren ist eine innovative Bearbeitungstechnologie, die sich für eine Vielzahl von Schneidstoffen und Geometrien einsetzen lässt.

Niedrigfrequentes Schwingungsschneiden LFV**
*Niedrigfrequentes Schwingungsschneiden (Low Frequency Vibration Cutting (LFV)) ist ein eingetragenes Warenzeichen der Citizen Holdings Co., Ltd.

Sicherer Spanbruch und verlängerte Standzeit

Oita (Mitsubishi Materials): Die Spankontrolle ist ein Problem, das Hersteller von Präzisionswerkzeugen immer wieder lösen müssen. Daher habe ich großes Interesse an der Maschinenentwicklung von Citizen Machinery.

Nakaya (Citizen Machinery): Begonnen hat die Entwicklung mit der Anfrage eines Kunden und einigen Vorschlägen, die die Anwendung des LFV-Verfahrens betrafen. Wir wussten um die Bedeutung der Spankontrolle, und unsere Diskussionen führten uns zu der Überzeugung, dass das LFV-Verfahren eine Lösung bietet. Aus diesem Grund begannen wir, gemeinsam an einer solchen Lösung zu arbeiten. 

Sato (Mitsubishi Materials): Präzisionswerkzeuge sollen normalerweise nicht schwingen, oder?

Nakaya: Natürlich nicht. Es ist wichtig, dass die Werkzeuge nicht schwingen. Als der Kunde uns seine Anfrage in Verbindung mit dem LFV-Verfahren vorlegte, fragte ich mich, ob es dabei möglich ist, die Präzision der Bearbeitung aufrechtzuerhalten. Außerdem stellte ich mir die Frage, ob die Maschine den Schwingungen standhält. Ich erkannte jedoch das Potenzial der LFV-Technologie, was mir die notwendige Zuversicht für die Arbeit an dieser technischen Entwicklung verlieh. 

Sato: Das größte Problem bei der Automatisierung von Zerspanungsan-wendungen ist die Spankontrolle. Und das größte Problem bei den Spänen sind die Schäden, die sie im Fertigungsprozess anrichten können. Darüber hinaus gibt es aber noch viele Probleme, die mit einer unzureichenden Spankontrolle verbunden sein können, etwa die Beschädigung von Oberflächen oder die Verkürzung der Werkzeugstandzeiten. 

Oita: Die Maschinenlaufzeiten sind bei der Massenproduktion auf Drehautomaten der Schlüssel zur Produktivität. Sobald sich Späne in einer Maschine verfangen, ändert sich der Spanfluss und die Oberfläche wird beschädigt. Im schlimmsten Fall muss die Maschine angehalten werden. Die Fähigkeit, die Späne zuverlässig abzuführen und hochwertige Oberflächen sicher zu fertigen, reduziert Probleme bei der Bearbeitung und steigert die Produktivität. Wir freuen uns sehr, die LFV-Technologie nutzen zu können und damit gute Ergebnisse zu erzielen.

Nakaya: Wir glauben, dass es die Zerspanungsprozesse ermöglichen, die wir mitilfe der LFV-Technologie entwickelt haben, die Späne bei der Bearbeitung zu brechen und abzuleiten, einen Temperaturanstieg an den Schneidkanten zu verhindern und die Werkzeugstandzeit zu verlängern.

Tieflochbohren mit Bohrer mit Kühlkanälen: Die gebrochenen Späne werden durch die Spannuten des Bohrers nicht eingeklemmt, sondern problemlos abgeführt.
Durch LFV erzeugte Späne
Spanform mit herkömmlichen Verfahren

Der Beginn einer Ära, in der aus schwer zerspanbaren Werkstoffen leicht zu schneidende Materialien werden

Citizen Machinery brachte 2014 die VC03, eine 2-Achs-Drehmaschine LFV-Technologie, auf den Markt. Was war die größte Herausforderung bei der Entwicklung dieser Maschine?

Nakaya: Die untere Abbildung auf Seite 27 zeigt die grundsätzliche Arbeitsweise der VC03. Unser Ziel bei der Entwicklung einer Werkzeugmaschine ist sonst üblicherweise die Konzeption schwingungsfreier Lösungen. Daher war für uns das Erzeugen von Schwingungen sehr schwer zu akzeptieren. Wenn die LFV-Schwingfrequenz mit der Schwingung der einzelnen Komponenten übereinstimmt, schwingt auch die Maschine, was eine maschinelle Bearbeitung unmöglich macht. Trotz solcher Schwierigkeiten haben wir die Entwicklung erfolgreich beendet. Heute kann LFV die Späne vollständig brechen, den Schnittwiderstand unter bestimmten Bedingungen reduzieren, die Temperatur an den Schneidkanten senken und die Werkzeugstandzeit verlängern. Das Verfahren hat sich als innovative Fertigungslösung bewährt.

Sannomiya (Citizen Machinery): Ich habe das Gefühl, dass wir etwas Großartiges erreicht haben, wenn die von uns entwickelte Technologie die Probleme unserer Kunden lösen kann. Es freut uns sehr, dass die LFV-Technologie unsere Kunden zufrieden macht und seit ihrer Einführung hochgeschätzt wird.

Niedrigfrequente Schwingungsschneidmaschine – VC03

VC03 – Mechanismus für hohe Präzision

Ein symmetrisches Heizsystem mit Rahmen und Bett, ein Flügel-Spindelstock und ein externer Kühlmitteltank sind grundlegende VC03-Spezifikationen, die erforderlich sind, um eine zeitabhängige Wärmeverschiebung und eine Übertragung von Prozesswärme auf den Maschinenkörper zu verhindern. Der integrierte Motor ist mit einer Zwangskühlung ausgestattet. Er ist riemenlos und schwingungsbeständig. Dies unterstützt sanfte Umdrehungen und eine präzise Produktbildung. Die Kombination aus Peripheriegeräten wie einem Beschickungs- und Entnahmesystem und einem Hochgeschwindigkeits-Portallader mit einer Betriebszeit von 3,5 Sekunden eignet sich für vielfältige systematische Automationsanwendungen.

(Von links nach rechts) Takaichi Nakaya, stellvertretender Leiter der Entwicklungs- und Planungsabteilung des Geschäftsbereichs Entwicklung von Citizen Machinery Co., Ltd.
Kazuhiko Sannomiya, Chief, Leiter der Entwicklungsabteilung des Geschäftsbereichs Entwicklung von Citizen Machinery Co., Ltd.
Yoshimitsu Oita, Leiter der Geschäftsentwicklungs- und Planungsabteilung des Geschäftsbereichs Vertrieb, Advanced Materials & Tools Company, Mitsubishi Materials Corporation
Akira Sato, Bohrer-, CBN- & PCD-Produktentwicklungszentrum, Geschäftsbereich Forschung und Entwicklung, Advanced Materials & Tools Company, Mitsubishi Materials Corporation

Wie wird sich ihrer Ansicht nach die Fertigung zukünftig verändern?

Nakaya: Citizen Machinery hat sich das Ziel “Ko No Ryosan”* - Mass Customization im Citizen-Stil - als Geschäftskonzept 2013 gesetzt. Das Konzept fördert innovative Fertigungsprozesse für die kundenorientierte Produktion und wurde mit dem Ziel entwickelt, hohe Produktionsvolumen zu erzielen sowie die gleiche Effizienz in der Massenproduktion und der Kleinserienfertigung zu erreichen. Auf den Fertigungsstraßen werden vielfältige Geometrien und Materialien bearbeitet. 
Dies erfordert ein einheitliches Spankontroll-system wie die LFV-Technologie, das für alle Werkstoffe und Bearbeitungsprozesse gilt. Wir müssen die Entwicklung neuer Bearbeitungstechnologien fortführen, um dieses Konzept zu erweitern. 

Sannomiya: Unser Ziel ist es, diese Technologie auszubauen, um aus schwer zerspanbaren Werkstoffen in naher Zukunft leicht zu schneidende Materialien zu machen. Die LFV-Technologie hat die Länge der Späne erheblich verkürzt und das Problem der verwickelten Späne bei schwer zerspanbaren Materialien reduziert, sodass sie leicht abgeführt werden können. Die Verringerung der Spanlänge ermöglicht zudem eine leichtere Entsorgung durch die Recycling-Unternehmen und ist damit umweltfreundlich. 

Nakaya: Ich glaube, dass das LFV-Verfahren das Konzept der spanenden Bearbeitung erheblich verändern wird. Basis dafür sind neben LFV auch neue Werkzeuggeometrien und -konzepte. Und sobald wir Wickelspäne vollständig verhindern können, wird auch die Flexibilität bei der Konstruktion zunehmen. Die Zukunft bietet viel Potenzial. Wir haben viele Ideen, die wir derzeit prüfen. Und die Werkzeughersteller werden sich an der Forschung und Entwicklung intensiv beteiligen.

Oita: Innovation entsteht, wenn wir mit den Anwendern die Werkzeuggeometrien und -konzepte und die herzustellenden Teile diskutieren sowie die ideale Abstimmung zwischen der Fertigungstechnologie und den individuellen Werkzeugen finden. Dies kann die Bearbeitungsstrategien in den Produktionsstätten grundlegend verändern.

Nakaya: Bei der Fertigung auf großen Maschinen wird Sicherheit dann zum Problem, wenn Maschinenführer die Abdeckung bei der Bearbeitung offenlassen, um Späne manuell zu entfernen. Dies dient dazu, Schäden durch verwickelte Späne zu verhindern, ist aber gefährlich. Mit der LFV-Technologie, die eine exzellente Spankontrolle für einen sicheren automatischen Maschinenbetrieb bietet, ist das nicht erforderlich. Um auch für andere Anwendungen sichere Prozesse zu bieten, werden wir die Anwendung der LFV-Technologie der VC03 auf weitere Maschinen ausweiten. 

Sato: Außerdem investieren wir in eine Werkzeugentwicklung aus dem Blickwinkel unserer Kunden und wollen innovative Bearbeitungsverfahren bereitstellen, von denen Produktionsstandorte auf der ganzen Welt profitieren können. 

Oita: Mitsubishi Materials hat ein hervorragendes Team für die Entwicklung von Zerspanungstechnologien und Präzisionswerkzeugen zusammengestellt. 

Sato: Die LFV-Technologie ermöglicht die vollständige Abführung von Spänen. Dies hat uns das Potenzial zur Produktion neuer Werkzeuge mit zahlreichen Funktionen aufgezeigt. Dazu gehören auch Werkzeuge, die exklusiv für die LFV-Bearbeitung konzipiert werden. In Anbetracht der Fortschritte der neuen Technologie möchten wir weitere Zerspanungswerkzeuge entwickeln, die unseren Kunden möglichst weitreichende Vorteile bieten.

* Ko No Ryosan, Mass Customization ist ein eingetragenes Warenzeichen der Citizen Holdings Co., Ltd.